Wie Architekten und Planer mit Leitsystemen an Schulen umgehen und sie realisieren

Dejan Pavlovic
Konrad-Adenauer-Schule in Kriftel ist eine der ersten Schulen, die das einheitliche Farbleitsystem erhalten haben.

2009 wurde unser Farbleitsystem im Main-Taunus-Kreis für Schulen entwickelt und eingeführt. Das Krisenmanagement, Polizei und Rettungsdienste hatten ein einheitliches Leitsystem zur besseren Orientierung an Schulen eingefordert, da bei den letzten AMOK-Fällen die Sondereinsatzkommandos und die Polizei sich auf dem Schulgelände und in den Schulen nicht zurecht finden konnten und ihnen somit wertvolle Zeit verloren ging. Zu diesem Zeitpunkt, gab es noch kein Orientierungssystem, das für solche Notfälle geeignet war bzw. in der Praxis sich bewähren könnte. Daher wurden wir beauftragt gemeinsam mit den Zuständigen ein Leitsystem zu konzipieren und an einer Musterschule für Testzwecke zu installieren. Neun Jahre später sind über 170 Schulen in Hessen und anderen Bundesländern mit unserem Farbleitsystem ausgestattet worden.

Aktuelle Orientierung an der Kasseler Werkstatt. In Kürze erhält diese Einrichtung unser Farbleitsystem.
Nur ein einheitliches System gibt mehr Sicherheit bei der Orientierung.

Mittlerweile haben wir viele Neubau- und Umbauprojekte begleitet, bei denen wir viel mit den Planern und Architekten kommunizieren und diskutieren. Natürlich ist es nicht einfach für einen Planer, unser Farbleitsystem und Orientierung ohne Weiteres mit einzubeziehen, da in der Regel das zuständige Architekturbüro die Hoheit für Leitsysteme, Farbgestaltung und Orientierung hat. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert und mit manchen Büros läuft es reibungslos und mit anderen Büros etwas ruppiger.

Eine kostspielige Stele an der Fachhochschule Reutlingen. Jeder Umbau auf dem Gelände erfordert eine Umgestaltung mehrerer Stelen.
In der Vergangenheit, wurden teure individuelle Leitsysteme für Schulen entwickelt und installiert.

Die Vereinheitlichung des Leitsystems ist gerade die Stärke des Produkts. Man stelle sich vor, dass die Buchstaben auf den Tastaturen von Smartphone zu Smartphone variieren würden oder in jeder Stadt andere Verkehrzeichensymbole verwendet werden würden, da es jeweils ein anderer Designer gestaltet hat. Das klingt absurd, aber gerade die Orientierung an Schulen kann man sich ebenso vorstellen.

Jede Schule hatte, bevor unser Leitsystem eingeführt wurde, ihre eigene Orientierung, was intern zwar kommuniziert wurde, aber dem Großteil der Besucher nicht ersichtlich war. Sicherheit und Orientierung war zu diesen Zeitpunkt kein Thema. Wie vor 20 Jahren das Rauchen in Flugzeugen oder der Besuch beim Flugkapitän im Cockpit üblich waren, ist heute nicht mehr vorstellbar. Aber in Schulen ist es immer noch der Fall, dass bei Rettungseinsätzen der Hausmeister geholt werden muss, um einen bestimmten Raum zu finden. Wenn es um Minuten geht, ist das natürlich für den Einsatz katastrophal.

Brühlwiesen-Schule und Vhs teilen sich das Leitsystem. Aufbauend auf unserem Farbleitsystem, können auch grafische und moderne Systeme montiert werden.
Vereinheitlichung reduziert Kosten und vereinfacht die Wartung.

Die Nummerierung wird nach einem einheitlichen Vorgehen definiert, wobei alle Räume erfasst werden und auch die „gefangenen“ Räume vordefinierte Raumbezeichnungen erhalten. Auch das ist oft schnell geklärt und erledigt. Bei großen Schulen, kann die Umsetzung oft nur in den Sommerferien stattfinden, da die ganzen Stundenpläne und interne Organisation an die neuen Nummern angepasst werden müssen, was während des Schulbetriebs kaum möglich ist.

Bestimmte Elemente des einheitlichen Leitsystems (FLS) müssen eingehalten werden. Das sind die Farbbereiche, Nummerierung und die Türmarkerformate, die in der Schule verklebt werden.

Dies ist mit den Architekten bei Neu- und Umbauten zu besprechen und zu planen. Verständlich, dass der Bereich Krisenmanagement eher stiefmütterlich behandelt wird, wie auch die Inklusion (Barrierefreiheit). Diese Thematiken erfordern spezielles Wissen, was man von den Planern erst einmal nicht erwarten kann. Deren Schwerpunkt ist das Entwerfen und Planen des Schulgebäudes. Wobei man dabei bedenken muss, dass so ein Bau mindestens 40 Jahre im Gebrauch sein wird und gerade eine weitsichtige Planung des Gebäudes den Nutzen und die Sicherheit nachhaltig verbessern kann. Noch sind nicht alle bundesweit einheitlichen Kriterien gesetzlich festgeschrieben worden. Trotzdem sollte man diese Standards bereits berücksichtigen, um spätere Nachbesserungen, die um ein Vielfaches mehr kosten könnten, zu vermeiden.

Eine alte Orientierungstafel an der Max-Planck-Schule in Rüsselsheim. Diese wurde durch unser einheitliches Farbleitsystem ausgetauscht.
Kriterien für Sicherheit an öffentlichen Schulen ist mit den heutigen Sicherheitsaspekten an Flughäfen oder Bahnhöfen nicht vergleichbar.

Jeder Architekt will bei Neubauten gerne seine eigenen Akzente setzen. Ein einheitliches Leitsystem passt oft bei den kreativen Planungsphasen auf den ersten Blick nicht in das Konzept. Jedes Gebäude wird als individuelles Objekt gesehen und hat das Recht, in der Vorstellung der Architekten, ein eigenständiges Leitsystem zu bekommen. Wir würden dies auch gerne unterstützen, aber unsere über die Jahre erworbene Erfahrung im Bezug auf Sicherheit und Inklusion haben uns gelehrt, dass diese Herangehensweise den heutigen Anforderungen widerspricht und an dieser Stelle eine pragmatische Arbeitsweise gefordert ist. Darüber hinaus sind individuelle Leitsysteme an Schulen heute im Hinblick auf die Kosten und die spätere Wartung nicht mehr vertretbar. Gerade die heutige Sicherheitslage an Schulen erfordert ein zeitgemäßes Leitsystem, dass auch in 50 Jahren den Anforderungen entspricht. Es muss kostengünstig gewartet werden können, kombinierbar mit anderen Systemen sein und bei späteren Umbauten Erweiterungen ermöglichen. Andere Leitsysteme, besonders die individuell entwickelten, können diese Ansprüche nicht im Ansatz erfüllen.

Provisorien, die öfters an Schulen genutzt werden und über Jahre so bleiben. In diesem Fall die Sachsenwaldschule in Reinbeck.
Den ersten Schritt, das FLS bundesweit einzuführen, hat Hessen schon in die Wege geleitet.
Über Dejan Pavlovic Designer, Media Consultant, Business Angel
Seit 1994 entwickele ich als Designer für Unternehmen nach dem Prinzip der “10 Heuristiken” Userinterfaces und Webseiten. Durch Zufall bin ich durch die Krisenfälle in Deutschland seit 2009 mit dem Thematik der Leitsysteme und Orientierung in Berührung gekommen. Entwickelt wurde dadurch das Farbleitsystem (FLS). Mittlerweile wird es bundesweit an Schulen und öffentlichen Gebäuden von uns realisiert. Gerne tausche ich mich mit Planern, Betroffenen, Kritikern oder Befürwortern aus und erkläre, was ich mir während der Entwicklung gedacht habe. Leider gibt es einige Menschen, die gerne ohne mein Wissen über die Vor- und Nachteile eines einheitlichen Systems urteilen und einen Dialog mit mir meiden, was ich sehr schade finde. Auch kann es sein, dass ich mit manchen Thesen am Ende nicht immer richtig lag oder auch manches aus meinem Blickwinkel anders interpretiere. Das ist menschlich und im Schaffensprozess natürlich. Daher freue ich mich über Gegendarstellungen und andere Erfahrungen. Ich lasse mich gerne überzeugen und ergänze dann das Gesamtbild.
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