Technische Prävention zur Verhinderung oder Erschwerung von Amoktaten an Schulen

Dejan Pavlovic

Bewährte technische Prävention, d.h. der Einsatz von technischen und baulichen Vorkehrungen, um AMOK und Krisensituationen zu verhindern oder körperliche Schäden während solcher Vorfälle zu verringern, ist zweifellos die praktischste Form der Prävention an Schulen. Dabei kommt den Schulträgern in den Städten und Landkreisen eine besondere Verantwortung zu. Geeignete Maßnahmen sollten immer den jeweiligen örtlichen, baulichen und organisatorischen Gegebenheiten angepasst werden.

Daher ist es ratsam, vor Ort polizeilichen und gegebenenfalls rettungsdienstlichen Rat einzuholen. Sprechen Sie mit Kriminalpräventionsbeauftragten aus dem Präventionsteam ihrer Polizeidienststelle oder mit dem Präventionsrat in ihrer Stadt, sofern diese sich mit dieser Art von Maßnahmen an Schulen bereits befasst haben. Im Allgemeinen sollte darauf geachtet werden, dass Sichtbarkeit, Klarheit und Helligkeit zu verbessern sind, womit auch das subjektive Sicherheitsgefühl erhöht wird und die Wahrscheinlichkeit von Straftaten zusätzlich verringert werden kann.

Farbblume
Jede Art von Prävention ist besser, als Gefahren einfach zu ignorieren.

Der Außenbereich

  • Im Außenbereich sollten auf jeden Fall Sträucher, Bäume und Büsche regelmäßig zu­rückgeschnitten werden, damit ein guter Überblick möglich ist. Aufstiegs­hilfen wie Leitern, Fahrradständer oder übliche Müllcontainer/-tonnen sollten entfernt werden oder entsprechend Nutzung geschützt werden.
  • Klare und eindeutige Kennzeichnung von Zuwegen, Einfahrten und Haupt­- bzw. Nebeneingängen und Notausgängen ermöglicht den Rettungskräften und der Polizei ein schnelleres Eingreifen.
  • Die Montage von modernen und technisch zugelassenen Verschlusssystemen, die die Zugänge in das Schulgebäude während der Unterrichtszeit nur eingeschränkt erlauben, erhöht den Schutz gegen das unbefugte Eindringen in das Gebäude.
  • Kellerfenster oder sonstige Zutrittsmöglichkeiten in das Gebäude müssen konsequent verschlossen sein, sofern sie nicht als Eingangstüren dienen.
  • Am vorgesehenen Haupteingang der Schule empfehlen wir, eine Videotürsprechanlage zu installieren. In den letzten Jahren hat es sich gezeigt, dass die Wahrnehmung einer Videoüberwachung sich zum Positiven geändert hat und als Maßnahme zur besseren Sicherheit auf dem Schulgelände von den Nutzern angenommen und akzeptiert wird. Außerdem regelt die Beteiligung des zuständigen Datenschutzbeauftragten und das Datenschutzgesetz einen ausreichenden Persönlichkeitsschutz auch in diesem Zusammenhang.
  • Elektronische Verrieglungen und eventuell im Zusammenspiel mit Einbruchmeldeanlagen sollten Zugangsmöglichkeiten und Fenster gesichert werden.
  • Außentüren sollten selbstverriegelnd sein. In diesem Fall wäre außen ein Knauf und innen eine Klinke, damit es als Fluchtweg genutzt werden kann. Nach Schließen der Tür ist der Zugang allein von Außen nicht mehr möglich.
Jede weitere und sinnvolle Komponente, um mehr Sicherheit an Schulen zu gewährleisten, ist von Vorteil.
FLS-Grundriss

Der Innenbereich

Im Innenbereich des Schulgebäudes sollte auf Übersichtlichkeit und gut sichtbare Beschilderung großen Wert gelegt werden. Klare Übersichtspläne, die strukturiert und einfach zu verstehen sind, sollten in den Eingangsbereichen zur verbesserten Orientierung dienen. Fluchtpläne und Rettungspläne sind in diesem Fall ungeeignet, da sie sehr kleinteilig und auch für das ungeübte Auge nicht übersichtlich sind.

Folgende sinnvolle Maßnahmen sollten vorgenommen werden:

  • Eindeutige und aktuelle Fluchtwegmarkierungen, nach DIN 4844-Z und DIN EN ISO 7010 sollten an den vorgegebenen Plätzen angebracht werden.
  • Moderne Schlüsselsysteme mit Transpondertechnik sind empfehlenswert. So kann den jeweiligen Nutzern die Zugangsmöglichkeit individuell zugewiesen und gegebenenfalls deaktivert werden, falls beispielsweise der Schlüssel verloren geht. Außerdem ist es gerade für die Dokumentation und Ausgabe von Zugangsberechtigungen geeignet.
  • Räume sollten von der Innenseite ohne Schlüssel abschließbar sein. In diesem Fall wäre eine Anti-AMOK-Funktion optimal.
  • Dunkle Ecken innerhalb des Gebäudes sollte gegebenenfalls mittels Sensortechnik ausgeleuchtet werden.
Das Farbleitsystem vervollständigt das Sicherheitsgefühl an der Schule und erleichtert der Polizei und den Rettungsdiensten das Auffinden der Räume.
Struktur eines Lageplan mit dem FLS

Das Farbleitsysstem im Außen- und Innenbereich

Zu den oben aufgelisteten Komponenten ist für die gute Orientierung im Außen- und Innenbereich das Farbleitsystem unverzichtbar:

  • Eine Außentafel mit Lageplan zeigt schon beim Betreten des Schulgeländes, wo man sich aufhält, welche Gebäudeteile sich auf dem Schulgelände befinden und wie das Gebäude farblich gegliedert ist.
  • Die Eingänge sind klar gekennzeichnet (E1, E2, usw.) und auch die Farbbereiche werden auf den Oberlichtern der jeweiligen Eingänge angezeigt.
  • Die farblich markierten Gebäudeteile erleichtern die Orientierung im Gebäude. Wobei auch die jeweiligen Türmarker dies im Flurbereich weiter unterstützen.
  • Die Türmarker, die sowohl innen als auch außen am Türblatt angebracht sind, kennzeichnen deutlich die Raumnummer und die Funktion des Raumes.
  • Alle Treppenräume sind im Schulgebäude gekennzeichnet und zeigen den Rettungskräften an, welche Erschließungswege genutzt werden, was die Kommunikation erleichtert.
  • Durch die Einheitlichkeit des Farbleitsystems und die unterstützende Schulung, wissen die Rettungskräfte und die Polizei sicher mit dem Farbleitsystem umzugehen.
Visuelle und akustische Kommunikation ist gerade in der Krisensituation ein wichtiger Faktor, um schnell und richtig zu reagieren.

Die Kommunikation auf dem Schulgelände

Lautsprecheranlagen ermöglichen es, zeitnah alle im Gebäude befindlichen Personen mit Informationen zu versorgen.

  • Lautsprecherdurchsagen sollten an mehreren Stellen auf dem Schulgelände durchgeführt werden können. Das Sekretariat, die Hausmeisterloge und das Büro der Schulleitung sind hierfür geeignet.
  • Keine codierten Durchsagen, da diese nicht für alle verständlich sind. Hierbei gilt die AIDA-Formel. D.h. die Durchsagen sollten klare verständliche Informationen und Handlungsanweisungen übermitteln. Im Ernstfall wäre ein automatisches Abspielen vom Tonträgern und nicht das Ablesen von Texten optimal.
  • Ein Notfall- und Gefahrenreaktionssystem (NGRS) nach DIN VDE V 0827 ff in Grad 2 oder 3 sollte idealerweise installiert werden. Dieses sollte auch mit der Einsatzstelle der Polizei aufgeschaltet werden, um die direkte Kommunikation mit dem Auslöser des Alarms zu ermöglichen.
  • Außerdem sollte die Schule über Telefonanschlüsse verfügen, die allgemein nicht bekannt sind. So kann man auch bei Netzüberlastung mit der Polizei und den Rettungskräften kommunizieren.

Gebäudeorientierung in der Praxis

Der Einsatz bei Krisensituationen und AMOK-Fällen an Schulen ist für Außenstehende wie Polizei und Rettungskräfte früher sehr unübersichtlich gewesen. Gebäudeteile und Beschilderungen waren an vielen Schulen sehr indi­viduell und im konkreten Ernstfall unter Stress schwierig zu erkennen oder auch zu deuten. Seit 2009 kooperiert die Polizei in Teilen Hessens (Main-Taunus-Kreis, Groß-Gerau, Wiesbaden und andere Landkreise) mit der Feuerwehr und den jeweiligen Schulträgern für mehr Sicherheit durch Orientierung an Schulen. Schulen, Feuerwehr und Polizei haben sich auf die FLS-Standards geeinigt und nutzen einheitliche Gebäudepläne und Raumbezeichnungen. Gemeinsame Über­prüfungen der technischen Sicherheitseinrichtungen und das Durchgehen des Verhaltens im Ernstfall mit allen Beteiligten (aber ausdrücklich ohne Schülerinnen und Schüler) führen zu größerer Handlungssicherheit und besserer Vernetzung untereinander.

Das Farbleitsystem, das im Main-Taunus-Kreis als erstes flächendeckend installiert und mehrfach in Studien positiv erwähnt wurde, wird mittlerweile bundesweit erfolgreich verwendet. Aktuell sind über 270 Schulen mit dem Farbleitsystem ausgestattet worden (Stand 10.2022), es ist z.Z. das am weitesten verbreitete Orientierungssystem an Schulen bundesweit. 

Studien belegen, dass es aktuell immer noch weltweit kein einheitliches Orientierungssystem gibt. Außer in Deutschland.
Über Dejan Pavlovic Designer, Media Consultant, Business Angel
Seit 1994 entwickele ich als Designer für Unternehmen nach dem Prinzip der “10 Heuristiken” Userinterfaces und Webseiten. Durch Zufall bin ich durch die Krisenfälle in Deutschland seit 2009 mit dem Thematik der Leitsysteme und Orientierung in Berührung gekommen. Entwickelt wurde dadurch das Farbleitsystem (FLS). Mittlerweile wird es bundesweit an Schulen und öffentlichen Gebäuden von uns realisiert. Gerne tausche ich mich mit Planern, Betroffenen, Kritikern oder Befürwortern aus und erkläre, was ich mir während der Entwicklung gedacht habe. Leider gibt es einige Menschen, die gerne ohne mein Wissen über die Vor- und Nachteile eines einheitlichen Systems urteilen und einen Dialog mit mir meiden, was ich sehr schade finde. Auch kann es sein, dass ich mit manchen Thesen am Ende nicht immer richtig lag oder auch manches aus meinem Blickwinkel anders interpretiere. Das ist menschlich und im Schaffensprozess natürlich. Daher freue ich mich über Gegendarstellungen und andere Erfahrungen. Ich lasse mich gerne überzeugen und ergänze dann das Gesamtbild.
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