Barrierefreiheit für mehr Demokratie an Schulen

Dejan Pavlovic

Am 10.06.1994 wurde die von der UNESCO getragene Salamanca-Erklärung und der damit verbundene Aktionsrahmen zur Pädagogik für besondere Bedürfnisse ratifiziert, […] die allen Kindern ein Recht auf gemeinsame Bildung zugesteht.

Zehn Jahre später läuft in der Bundesrepublik die schulische Integration sog. behinderter Kinder und Jugendlicher nach wie vor gegen Null. In einzelnen Bundesländern (Bremen, Hessen) sind die Entwicklungen sogar als rückläufig zu bezeichnen. […]

Quelle: http://www.bdwi.de/forum/archiv/archiv/97196.html

Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer
„Wenn wir kein zusätzliches Geld für Barrierefreiheit bekommen, können wir das eben nicht bauen... und die Pauschalbeträge (€/) sind seit Jahren nicht gestiegen. “

Und 2018 ist Inklusion und Barrierefreiheit an Schulen immer noch ein großes Thema, das noch viele Fragen aufwirft und es den Verantwortlichen immer noch nicht klar ist, was getan werden muss. Seit 2006 wird Inklusion an Schulen von der UN gefordert. Trotzdem tun sich die verschiedenen Staaten schwer. Besonders Deutschland hat gerade mit der Bürokratie und den geforderten Richtlinien einen großen Nachholbedarf. Es gibt immer wieder Gründe warum die flächendeckende Umsetzung von barrierefreien Schulen (Inklusion) verzögert wird.

„Wir müssen erst einmal den Sanierungs- und Modernisierungsstau abbauen! “
FLS Inklusion
Schematische Darstellung von Inklusion (großes Bild) und von links nach rechts Exklusion, Separation und Integration.
"Barrierefreiheit wurde nicht ausgeschrieben!... Nicht bestellt!... nicht angeboten! NutzerInnen (mit Behinderung) widersprechen sich und sollen sich erst einmal einigen!"

Einer der Hauptfaktoren ist, dass sich keiner verpflichtet fühlt, sich dem Thema Inklusion zu widmen. Es wird stiefmütterlich behandelt, abgewiegelt, an andere weiter verwiesen und qualifizierte Ansprechpartner sind schwer oder gar nicht zu finden.

Barrierefreiheit und Inklusion bedeuten einfach eine bessere Orientierung und verbesserte Wahrnehmung im Gebäude und auf dem Gelände. Schon mit geringen Mitteln und besserer Planung kann eine große Anzahl von Menschen mit mobilem Handikap, visueller Beeinträchtigung, eingeschränkter geistiger Wahrnehmung oder einfach Menschen mit sprachlicher Schwäche oder Migrationshintergrund geholfen werden.

Dafür gibt es beispielsweise unser Farbleitsystem für bessere Orientierung an Schulen, technische Möglichkeiten mit mobilen Endgeräten oder auch einfache taktile Elemente, z.B. taktile Grundrisse, Bodenindikatoren oder taktile Handläufe. Bauliche Maßnahmen, damit Rollstuhlfahrer jeden Raum erreichen oder Menschen mit Sehbehinderung Informationen erfühlen können, ist machbar und sollte nicht damit begründet werden, dass es zu teuer wäre.

Taktiler Orientierungsplan in FLS- Farben
Taktile Grundrisstafel einer Schule
Dringend erforderlich (auch für den barrierefreien Betrieb): Fort-und Weiterbildung aller beteiligten Professionen.

Menschenrechtlicher Zugang: UN-BRK & inklusive Schule

Nicht vollständig barrierefreie Schulgebäude, die aktuell geplant, gebaut oder umfangreich saniert werden, manifestieren für die nächsten 40-50 Jahre das Nichteinlösen menschenrechtlicher Verpflichtungen, wenn wir den aktuellen Status nicht ändern.

Gerade die schulpolitische Entscheidung über das Instrument der Schwerpunktschulen einen (kostengünstigen) Weg der „progressiven Realisierung“ zu gehen ist auch unter fiskalischem Gesichtspunkt kaum vertretbar – die nachträglichen Umbauten und Anpassungen sind viel teurer (3% vs 20% der Gesamtbausumme).

Der Schulbau muss bereits heute den Bedarf inklusiver Schulen für die nahe Zukunft antizipieren und realisieren. Schon jetzt müssen die Architekten, Schulträger und andere Verantwortliche langfristig denken und die Planungen soweit erstellen, dass eine einfache Anpassung die Schulen inklusiv machen.

Nicht inklusive Schulen kosten um ein Vielfaches mehr, wenn Umbauten und Anpassungen stattfinden müssen. (3% vs. 20% der Gesamtsumme)

Zukünftiger Schulbau

Gerade der zukünftige Schulbau müsste innovativer, mutiger und zukunftsweisender sein. Unser Umfeld hat sich in der sozialen Struktur, Arbeitswelt, Technik und vielen anderen Dingen in den letzten Jahren stark verändert. Nur die Art und Weise, wie an Schulen unterrichtet wird, wurde in den letzten 200 Jahren nahezu nicht verändert (Frontalunterricht, Lerninhalte etc.). Der Unterricht, die Räumlichkeiten, Klassenstrukturen sollten an die heutige Gesellschaft angepasst und Lehrmethoden flexibler gestaltet werden können.

Neben den pädagogischen Aspekten, der Inklusion und Barrierefreiheit ist der Faktor Sicherheit an Schulen ein wichtiges Thema, das durch einfache Synergieeffekte mit einfließen kann und kaum Mehrkosten erzeugt. Gerade Gefahren- und Krisenmanagement ist für inklusive Schulen ein wichtiges Thema. Neben der barrierefreien Gebäudeerschließung ist die Prävention und Gefahrenabwehr einer der wichtigsten Bausteine. Brandschutz und AMOK wird oft nicht mit Inklusion und Barrierefreiheit in Verbindung gesetzt. Dies ist fatal, da gerade Menschen mit Behinderung in Krisenfällen besondere Betreuung und Maßnahmen erfordern, die geplant und berücksichtigt werden müssen. Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei müssen sich gerade in Gefahrensituationen zurecht finden. Mit barrierefreien Elementen und dem Farbleitsystem sind schon einige Hilfen vorhanden, die die Orientierung um ein Vielfaches erleichtern und der gesuchte Ort schneller gefunden werden kann.

Veränderbare und flexible Raumgestaltung, Akustik, lärmreduzierte Umgebung, Unfallschutz, einfache Erschließung, flexible Raumgrößen und Raumstruktur, intelligente und nachhaltige Farbgebung, optimierte Beheizung und Belüftung, angepasste Lichtverhältnisse und Beleuchtung sollten bei allen Bauprojekten berücksichtigt werden. Planer haben natürlich auch bestimmte Schwerpunkte und Fachwissen. Trotzdem sollten auch externe Berater schon in der Anfangsphase (Phase Null) mitgestalten können und gerade die späteren Nutzer der Schule (Schulleitung, Sozialpädagogen) sollten bei dem Prozess in der gesamten Planung involviert sein.

"Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung vollziehen sich nicht im luftleeren Raum, sondern immer in Abhängigkeit von den sozialen Verhältnissen."

Schule planen und bauen 2.0

Grundlagen, Prozesse, Projekte

10 THESEN

Wie können und wie sollen alte und neue Schulhäuser für die Gegenwart und die nahe Zukunft fit gemacht werden?
Welche pädagogischen Konzepte spielen dabei eine Rolle und wie lassen sie sich räumlich und städtebaulich umsetzen?
Die folgenden Thesen behandeln zehn Aspekte, die an der Schnittstelle von Pädagogik und Architektur entscheidende Weichenstellungen für einen Schulbau darstellen.

These 01
Lernen benötigt viele und unterschiedliche Perspektiven, Zugänge und Ergebnisse.

These 02
Gelernt wird allein, zu zweit in der Kleingruppe, mit dem ganzen Jahrgang, jahrgangsübergreifend und auch im Klassenverband.

These 03
Ganztagsschule heißt Lernen, Bewegen, Spielen, Toben, Verweilen, Reden, Essen und vieles mehr – in einem gesunden Rhythmus.

These 04
Schulbuch und Kreidetafel werden ergänzt durch Tablet, PC, Smartboard und andere Neue Medien.

These 05
Förderung in einer inklusive Schule geschieht in heterogenen Gruppen.

These 06
Kulturelles und ästhetisches Lernen muss durch Pädagogik und Architektur vermittelt werden.

These 07
Lernen in Gesundheit und Bewegung findet in anregender und weiträumiger Umgebung statt.

These 08
Demokratisches Lernen benötigt eine demokratischen Schule.

These 09
Schule ist im Umgang mit Umwelt und Technik ein Vorbild.

These 10
Die Schule öffnet sich zur Stadt, die Stadt öffnet sich zur Schule.

Eine ausführliche Beschreibung der Thesen sind hier zu finden.

Weitere Informationen bezüglich lesbarer Beschriftung finden sie hier.

Barrierefreiheit: barrierefreie Nutzbarkeit aller Funktionsbereiche, Gestaltung der Informations- und Orientierungssysteme nach dem „Mehr-Sinne-Prinzip“
Über Dejan Pavlovic Designer, Media Consultant, Business Angel
Seit 1994 entwickele ich als Designer für Unternehmen nach dem Prinzip der “10 Heuristiken” Userinterfaces und Webseiten. Durch Zufall bin ich durch die Krisenfälle in Deutschland seit 2009 mit dem Thematik der Leitsysteme und Orientierung in Berührung gekommen. Entwickelt wurde dadurch das Farbleitsystem (FLS). Mittlerweile wird es bundesweit an Schulen und öffentlichen Gebäuden von uns realisiert. Gerne tausche ich mich mit Planern, Betroffenen, Kritikern oder Befürwortern aus und erkläre, was ich mir während der Entwicklung gedacht habe. Leider gibt es einige Menschen, die gerne ohne mein Wissen über die Vor- und Nachteile eines einheitlichen Systems urteilen und einen Dialog mit mir meiden, was ich sehr schade finde. Auch kann es sein, dass ich mit manchen Thesen am Ende nicht immer richtig lag oder auch manches aus meinem Blickwinkel anders interpretiere. Das ist menschlich und im Schaffensprozess natürlich. Daher freue ich mich über Gegendarstellungen und andere Erfahrungen. Ich lasse mich gerne überzeugen und ergänze dann das Gesamtbild.
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