Inklusion an Schulen bei Krisensituationen und AMOK-Läufen

Dejan Pavlovic

Oft wird das Thema „Inklusion an Schulen“ oder die „inklusive Pädagogik“ in den Medien erwähnt. Diese Begriffe beschreiben einen Ansatz, der im Wesentlichen auf der Wertschätzung der Vielfalt beruht und niemanden ausschließt. In diesem Umfeld lernen Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an gemeinsam. In Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und sogar Einrichtungen der Weiterbildung wird niemand wegen einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen. Es werden Mittel und Methoden unterstützt und gefödert, damit alle Bedürfnisse für die Lernenden berücksichtigt werden.

Natürlich ist dieser Ansatz sehr erstrebenswert. Aber der Weg zur vollständigen Umsetzung wird noch eine Weile dauern. Zwar unterstützen die Schulträger das Vorhaben, aber die Mittel und auch die Schulung der Pädagogen reicht bei Weitem noch nicht aus.

Sicherheit für Behinderte sollte wie die "inklusive Pädagogik" eine wichtigere Rolle in den Bildungsstätten spielen.
Fluchtwegbeschilderung bei Krisensituationen neben dem FLS
Fluchtwegkennzeichnung bei Brand oder in Krisensituationen.

Inklusion in Notfällen

Wie vorher erwähnt wird oft der Begriff Inklusion im Bereich der Pädagogik erwähnt. Dabei stellt sich die Frage, wie sich Behinderte einer inklusiven Bildungsstätte, ob im Kindergarten, Schule oder Hochschule beispielsweise bei einem Brand verhalten sollen. Im oberen Bild sehen sie eine genormte Fluchtwegkennzeichnung. Diese ist allen bekannt und auch die Bedeutung dieses Symbols wird von nahezu jedem im Gebäude erkannt, sofern er es bei Rauchbildung sieht. Wie verhält sich nun ein Rollstuhlfahrer oder ein Mensch mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten? Fahrstühle sind im Brandfall nicht nutzbar, da durch Rauchbildung diese zu einer tödlichen Falle werden können.

Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer sind mit den normalen Fluchtwegkennzeichnungen nicht optimal informiert, um den richtigen Rettungsweg zu finden.

Vernachlässigte Sicherheit

Auch bei Neubauten oder Umbauten, wo Inklusion inzwischen eine sehr wichtige Rolle spielt und auch bei der Planung alles dafür getan wird, daß für die Lernenden ein optimales Umfeld gestaltet wird, wird die inklusive Sicherheit oft vernachlässigt. Es liegt aber nicht an den Planern an sich. Es liegt daran, dass schon der pädagogische Bereich soviel an Fachwissen und Zeit benötigt, daß der Gefahrenbereich erst später wahrgenommen oder schlicht vergessen wird. Es gibt schon viele Lösungsansätze, aber wenn diese bei den Bildungsstätten in Betracht gezogen werden, dann wird klar, dass der schulische Alltag für Behinderte in manchen Bereichen eingeschränkt werden muss.

Kennzeichnung für FLuchtwege, die auch von Rollstuhlfahrern genutzt werden können.

Fluchtwegkennzeichnungen für Menschen mit Gehbehinderung

Die oben angezeigte Fluchtwegkennzeichnung ist leider noch nicht vielen Schulträgern bekannt. Natürlich ist es sofort verständlich und jeder weiß, was damit gemeint ist. Stellen Sie sich vor im Brandfall folgt ein Rollstuhlfahrer den üblichen Fluchtwegkennzeichnungen? Gerade in den oberen Geschossen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass nur Treppen die einzige Fluchtmöglichkeit bieten. Was kann nun der Rollstuhlfahrer in dieser Situation tun? An dieser Stelle kommt die Thematik der „inklusiven Schule“ an ihre Grenzen. Defacto müsste für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte in oberen Geschossen immer ein möglicher Rettungsweg oder eine andere Rettungshilfe zur Seite stehen. Wenn also keine Beschilderung für Rollstuhlfahrer existiert, muss eigentlich immer eine oder auch zwei Personen für die jeweiligen Personen mit eingeschränkter Motorik auch in Notfällen zur Verfügung stehen. D.h. bei einem Notfall müsste die behinderte Person die Treppen herunter getragen werden. Kann das immer sicher gewährleistet werden?

Für Notfälle müssen Menschen mit motorischen Einschränkungen speziell in den oberen Geschossen immer verantwortliche Personen zu Seite haben. Gegebenenfalls muss die behinderte Person die Treppe hinuntergetragen werden.
Rollstuhlfahrerin in einer Schule.

Fahrstühle bei Brandfall

Natürlich ist es nicht ratsam den Fahrstuhl bei einem Brandfall als Rollstuhlfahrer zu nutzen. Die Rauchbildung und die Möglichkeit einer Erstickung sind dabei sehr hoch. Alternativ können aber auch Fahrstühle als Rettungsweg genutzt werden. Dies funktioniert aber nur, wenn die Fahrstühle einen mit geringem Überdruck in der Kabine erzeugen können. Damit wird verhindert, dass der Rauch in den Fahrstuhl eindringen kann. Dies ist eine Möglichkeit, die oft in Wolkenkratzern eingesetzt wird, wo die Treppen zwar auch vorhanden sind, aber dann nur als zweiter Fluchtweg gekennzeichnet werden.

Diese Lösung sehe ich aber nicht als praktikabel an, da die Kosten einfach zu hoch wären. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit bei den inklusiven Schulen, die Schüler, mit eingeschränkter Motorik nur im Erdgeschoss zu unterrichten. Pädagogisch entfernen wir uns hiermit wieder von der Inklusion. Die Frage ist nun, was für den Schüler, die Eltern, Pädagogen, die Feuerwehr und auch für den Schulträger wichtiger ist. Die uneingeschränkte Freiheit in der Vielfälltigkeit und das Leben in der Gemeinschaft oder die Sicherheit, daß sich jeder nahzu selbstständig in Sicherheit bringen kann, wenn eine Notsituation an der Schule stattfindet.

Auch in inklusiven Schulen müssen im Brandfall oder bei AMOK alle Schüler wissen, was zu tun ist.

Inklusive Schulen bei AMOK-Läufen

Das Verhalten bei einer AMOK-Lage ist in Schulen im Allgemeinen bekannt. Neben unserem Farbleitsystem, einem einheitlichen Orientierungssystem für Rettungsdienste und Polizei, können weitere Vorkehrungen getroffen werden, um in Schulen bei AMOK eine bessere Orientierung für Kinder mit kognitiven und motorischen Einschränkungen zu erzielen. Bei AMOK-Fällen müssen die Klassenräume abgeschlossen werden, damit der Täter nicht eindringt. Desweiteren müssen die Schüler sich in einen Bereich befinden, wo sicher gestellt wird, dass durch die Tür oder Fensterscheiben keine Projektile die Schüler treffen können.

Die Förderschule Anne-Frank-Schule in Kelkheim hat eine tolle Idee umgesetzt. Jeder Klassenraum hat auf dem Boden einen Farbkreis, der den Kindern in Krisensituationen als Orientierungspunkt dient und auf dem sich dann alle versammeln müssen, da dieser als sicherster Ort im Vorfeld definiert wurde. Das ist eines von vielen Beispielen, wo inklusive Pädagogik auch mit inklusiver Sicherheit kombiniert wurde.

Neben dem inklusiven Lernen sollte auch die inklusive Sicherheit eine Rolle spielen. D.h. bessere Orientierung, wie z.B. unser Farbleitsystem, bessere Kennzeichnung der Fluchtwege, eigene Ideen entwickeln, um in Notsituationen schneller reagieren zu können. Immer aufmerksam sein, ob neue Möglichkeiten zur Verfügung steht und nicht NUR die eigenen Interessen sehen.
Über Dejan Pavlovic Designer, Media Consultant, Business Angel
Seit 1994 entwickele ich als Designer für Unternehmen nach dem Prinzip der “10 Heuristiken” Userinterfaces und Webseiten. Durch Zufall bin ich durch die Krisenfälle in Deutschland seit 2009 mit dem Thematik der Leitsysteme und Orientierung in Berührung gekommen. Entwickelt wurde dadurch das Farbleitsystem (FLS). Mittlerweile wird es bundesweit an Schulen und öffentlichen Gebäuden von uns realisiert. Gerne tausche ich mich mit Planern, Betroffenen, Kritikern oder Befürwortern aus und erkläre, was ich mir während der Entwicklung gedacht habe. Leider gibt es einige Menschen, die gerne ohne mein Wissen über die Vor- und Nachteile eines einheitlichen Systems urteilen und einen Dialog mit mir meiden, was ich sehr schade finde. Auch kann es sein, dass ich mit manchen Thesen am Ende nicht immer richtig lag oder auch manches aus meinem Blickwinkel anders interpretiere. Das ist menschlich und im Schaffensprozess natürlich. Daher freue ich mich über Gegendarstellungen und andere Erfahrungen. Ich lasse mich gerne überzeugen und ergänze dann das Gesamtbild.
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